Dekadent oder wertvoll? – Warum Pole-Workshops so „teuer“ sind.

„65 Euro für 1,5 Std. Workshop? Seid ihr wahnsinnig?“

So, oder so ähnlich mögen eure Gedanken sein, wenn ihr zum ersten Mal mit den szeneüblichen Preisen für Workshops mit bekannten und gefragten Pole-Artisten konfrontiert werdet. Dabei sind 65 Euro noch nicht mal wirklich viel...

Aber warum ist das so? Warum sind die Workshops so „teuer“ und ist das überhaupt „teuer“ oder im wahrsten Sinne des Wortes „preiswert“?

Arbeit im Vorfeld

Jeder gefragte Pole-Artist hat einen vollen Terminkalender. Diese für Workshops im eigenen Studio zu engagieren und Termine zu organisieren, verlangt vom Studiobetreiber schon im Vorfeld einen nicht unerheblichen Zeitaufwand. Dieser Zeitaufwand wird meist aus Liebe zum Sport und auch aus Liebe zu den eigenen Kunden unentgeltlich auf sich genommen. Und nicht jeder Mailaustausch, nicht jede Verhandlung mit Pole-Artisten führt letztendlich auch zu stattfindenden Workshops.

Pole-Artisten verlangen eine Summe X, die sie gern pro Person und Workshop haben möchten. Wer sich als Studioinhaber schon einmal damit auseinandergesetzt hat, der weiß, dass die Höhe der Summe nicht zwingend vom Bekanntheitsgrad des Pole-Artisten abhängig ist!

Dazu kommen noch die verhandelbaren Posten. Einige Pole-Artisten sind einfach nur wahnsinnig aufgeschlossene und sympathische Menschen, die sich in einem fremden Land nicht alleine gelassen fühlen wollen. Sofern man sich um sie kümmert, wie um jeden lieben Gast (sie beispielsweise bei sich selbst zu Hause unterbringt, sie vom Flughafen/Bahnhof abholt und sie einfach überall hin chauffiert), fallen dann dafür auch keine weiteren Kosten für den Studiobetreiber an.

Andere bestehen darauf in einem Hotel untergebracht zu werden (Kategorie nach Wahl), bestehen auf die Übernahme der Flug- bzw. Fahrtkosten und bestehen auf die Übernahme sämtlicher Verpflegungsaufwände - wobei natürlich ausschließlich in Restaurants gespeist wird.

Das muss vom Studiobetreiber im Vorfeld klar erfragt werden. Ich selbst habe schon Workshops abgelehnt, da erst nach meinerseitigem Nachfragen, ob denn dann noch Kosten auf mich zukämen, die Antwort kam, dass ich natürlich die Flugkosten zu übernehmen habe.

Erstes Zwischenergebnis

Jetzt ist es also soweit die Gesamtsumme zu berechnen und auf die Einzelsummen, die pro Person in Rechnung gestellt werden sollen, aufzueilen.

Prima. Das war’s dann auch, oder? Weit gefehlt: In Deutschland ist jeder Unternehmer, der nicht davon befreit ist, verpflichtet Mehrwertsteuer (aktuell 19%) abzuführen. Die muss (wenn diese nicht aus eigener Tasche bezahlt werden soll) auf die Summe aufgeschlagen werden.

PLUS: Künstlersteuer

Dazu kommt noch die Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler. Wird eine Person aus dem Ausland engagiert, die hier z.B. Sport/Tanz/Akrobatik (und darunter fällt der Polesport nun einmal) unterrichtet, verpflichtet das zu einer zusätzlichen sog. Abzugsteuer (aktuell 15% + 5,5% Solidaritätszuschlag) auf das Honorar des Künstlers.

Dann haben wir schon ein neues Ergebnis: Summe X + 20,5% Künstlersteuer + 19% Mehrwertsteuer. Wer als Studioinhaber von Luft und Liebe lebt, kann jetzt diese Summe an die Kunden weitergeben. Allerdings zahlt man dann die anfallenden Nebenkosten, wie Bankgebühren, die Kosten für die Buchhaltung, das Papier, die Druckerpatrone, das Benzin, die Verpflegungsaufwendungen aus eigener Tasche.

Luft und Liebe

Gut. Gehen wir davon aus, dass der Studiobetreiber niemanden schröpfen möchte, aber auch nicht bereit ist für seine Arbeit auch noch Geld mitzubringen. Also kommt die Summe für die oben genannten Aufwendungen noch dazu. (Wir halten kurz fest: Der Studioinhaber und Organisator der Workshops hat bisher keinen einzigen Cent verdient, er hat es nur vermieden Geld zum Arbeiten mitzubringen!)

Die anteilige Miete für das Studio muss zu den oben genannten Kosten streng genommen noch addiert werden, denn es werden ja zusätzlich Kosten für Strom und Energie fällig, oder - wenn man als Untermieter stundenweise das Studio mietet - eben diese Zusatzkosten.

Noch hat der Organisator immer noch nichts von seiner Arbeit, nicht mal den eigenen Platz im Workshop hat er bisher verdient. Es ist nicht selbstverständlich, dass Studiobetreiber ihren Workshopplatz nicht zahlen müssen, auch das ist Verhandlungssache mit dem Pole-Artisten.

Gehen wir davon aus, dass der eigenen Platz auch bezahlt werden muss und sich die Frechheit herausgenommen wird, diese Kosten vielleicht doch irgendwie für die ganzen Vorarbeiten reinholen zu wollen, so werden diese Kosten ebenfalls auf die Workshopkosten umgelegt.

2 Rechenbeispiele zur Verdeutlichung

Beispiel A: Der Pole-Artist möchte 50 Euro pro Person, Kost und Logis im eigenen Haus und die Fahrtkosten (Flug/Bahn) müssen nicht vom Studiobetreiber übernommen werden. Der Platz für den Studiobetreiber ist frei. Der Studiobetreiber verdient keinen Cent am Workshop und zahlt die anfallenden Kosten (Bankgebühren, Buchhaltung, Benzin, Kosten für Essen für den Pole-Artist etc.) aus eigener Tasche.

50 Euro zzgl. 20,5% Künstlersteuer zzgl. 19% Mehrwertsteuer = ca. 72 Euro (Pro PERSON!)

Beispiel B: Der Pole-Artist verlangt 50 Euro pro Person und Workshop und will für mindestens 2 Workshops in Folge mit jeweils mindestens 10 Personen gebucht werden. Das Hotel muss bezahlt werden, ebenso der Flug und die Verpflegungskosten. Der Studiobetreiber möchte die Miete anteilig ersetzt haben sowie die Kosten für seinen eigenen Platz, Buchhaltung, Bankgebühren etc. nicht selbst tragen. Schafft der Studiobetreiber es nicht die Workshops voll zu bekommen, so hat er die Differenz zu zahlen (ist ein übliches Vorgehen). Der Studiobetreiber verdient keinen Cent.

10 Personen für jeweils 2 Workshops á 50 Euro 1000,00 Euro
Eigener Platz für 2 Workshops á 50 Euro 100,00 Euro
Künstlersteuer für 1100 Euro Honorar 225,50 Euro
Flug 600,00 Euro
Hotel (2 Nächte inkl. Frühstück) 100,00 Euro
Verpflegung (30 Euro pro Tag) 60,00 Euro
Kosten für Buchhaltung etc. 5,00 Euro
Benzinkosten, Chauffeurdienste 20,00 Euro
Zwischensumme 2110,50 Euro
Mehrwertsteuer 401,00 Euro
Gesamt 2511,50 Euro

geteilt durch 20 Personen (10 Teilnehmer á 2 Workshops)

Workshopgebühr pro Person: 125,57 Euro

(die Miete für das Studio ist hier NICHT berechnet!)

Dazu kommen manchmal Kosten, die gar nicht bedacht wurden: Visa, Einreisegenehmigung etc.

Fazit

Workshops sind es wert! Wenn euch der Stil des Pole-Artisten, der in eurem Studio einen Workshop geben wird, zusagt, dann lasst euch diese Gelegenheit nicht entgehen. Und es wäre dem Studiobetreiber gegenüber freundlich, wenn er sich auf eure Anmeldungen auch verlassen kann!

Der „leidige“ Passus

Alle Angaben sind Angaben ohne Gewähr. Es sind die Erfahrungen an denen ich die Leser und Leserinnen teilhaben lassen möchte.

Nadine Rebel

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