Neid erfolglos zugestehen

Natürlich muss es genau umgekehrt lauten: „Erfolg neidlos zugestehen!“ - doch oftmals erscheint es gerade im Pole Sport andersherum zu laufen.

Tröstlich mag die Tatsache sein, dass diese Berufskrankheit wohl auch im Ballett und am Theater unter Schauspielern vertreten ist und wir uns demnach in bester Gesellschaft befinden.

Dann sollten wir uns ebenso nüchtern und ehrlich von dem Ziel verabschieden, diese Negativkomponente aus dem Sportbereich, in dem es doch in allererster Linie darum geht, wer besser, flexibler, stärker, schöner, ästhetischer, sinnlicher und so weiter ist, zu verbannen. Und wenn wir diese beiden Aspekte betrachten und sie auf uns wirken lassen, dann können wir hinterfragen, warum dem so ist!

Zunächst einmal: Nein, ich bin auch nicht frei von Neid! Und ja, ich muss gestehen, dass es (innerlich und Gott sei Dank auch nur für ein paar Sekunden!) doch ab und an mal vorkommt, dass Neid aufkeimt, wenn beispielsweise eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer meiner Kurse einen Pole Trick (für den ich ein halbes Jahr brauchte, um ihn zu erlernen oder - noch besser - den ich gar nicht kann) scheinbar mühelos schafft.

Diese Grundregung ist wohl ganz normal und nach einer maximal zwei Sekunden macht sich dann ganz ehrliche Freude für meinen Sportkollegen oder meine Sportkollegin breit. Derartige Regungen können auch als Antrieb und Motivator genutzt werden. Das funktioniert auch (bis zu einem gewissen Grad)!

Das Bildnis des Dorian Gray

Immer wieder muss ich an diesen Roman von Oscar Wilde denken. Der Protagonist des Buches, Dorian Gray, ein reicher und schöner junger Mann, ist im Besitz eines Bildes, welches ihn selbst zeigt. Im Verlauf der Zeit fällt ihm auf, dass sich dieses Porträt verändert. Während er makellos jung und schön bleibt, zeichnen sich im Porträt die Spuren seines Fehlverhaltens und seiner Sünden ein. Mit den Jahren zeigt das Bild einen immer hässlicheren Menschen, während Dorian hübsch, makellos und jung bleibt. Nachdem wir selbst wohl kein Porträt besitzen, welches statt uns altert, und in welchem sich böse Gedanken mimisch festsetzen, dient es der Schönheitspflege, sich nicht vom Neid zerfressen zu lassen.

Man sieht es einem Menschen an, ob dieser mit sich im Reinen ist und in sich ruht, oder ob sie auf der Suche nach Perfektion getrieben verhärmt, ausgezehrt und abgehetzt wirkt.

Menschen, die ihre eigenen Erfolge geringschätzen oder gar nicht sehen können, gönnen meist auch anderen ihre Erfolge nicht. Das ist schade.

Ja, wir überschwemmen soziale Netzwerke mit Fotos und Videos und Fortschritten und vielem mehr. Das mag nervig sein und dazu führen, dass man - angesichts der tollen Fortschritte der Kollegen und Kolleginnen - wieder den Neid in sich aufkeimen spürt. Dabei darf man allerdings zwei Aspekte nicht außer acht lassen: Erstens, kaum jemand postet die Misserfolge und die vielen Fotos von misslungenen Versuchen, und zweitens, stellt jemand Bilder ins Netz, so ist damit IMMER auch eine Bitte verbunden: „Bitte klicke „Gefällt mir!“ – „Bitte sag, dass es gut aussieht!“

Und ich denke, dieser Bitte kann man auch nachkommen! Es tut niemandem weh und es stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Man darf es auch einfach ignorieren, das ist ebenso in Ordnung.

Bei sich selbst beginnen

Dabei muss sich der Neid nicht immer nur auf andere beziehen. Mindestens ebenso böse und folgenschwer ist der verbitterte Ehrgeiz im Umgang mit sich selbst. Wenn man sich selbst nie genügt, die eigenen Erfolge weder feiert noch zelebriert, immer nur auf diejenigen sieht, die „besser“ sind - so wird man das Wichtigste und Schönste verlieren, was man zu bieten hat: Leidenschaft, Freude am Tanz und Individualität.

Eure Nadine Rebel

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