Stangentanz? Ach, das aus den Stripclubs, oder?

Die Unwissenheit ist der Wahrheit näher als das Vorurteil.
Wladimir Iljitsch Lenin (1870 - 1924), eigentlich Wladimir Iljitsch Uljanow, russischer Revolutionär und sowjetischer Staatsmann

Wer kennt es nicht? Kaum erzählt man, welche Sportart man betreibt, da buchstabiert die Reaktion des Gegenübers schon in gut leserlicher Leuchtschrift: „Ah, eine Stripperin, die arbeitet also im horizontalen Gewerbe! Wie peinlich (für sie und für mich)!“.

Was Polesportler und Polesportlerinnen wollen, ist Anerkennung der Leistung und Bewunderung der Fähigkeiten.

Was wir bekommen – wenn die Vorurteile als festzementierte Meinungen verhärtet den Kopf besetzen – sind abwertende Blicke und herablassende Haltungen.

Oftmals fühlt man sich durch das nicht Ausgesprochene aber gut Sichtbare genötigt in Rechtfertigungen zu verfallen. Nein, nein, man betreibe das als Sport. Nein, nein, man würde sich natürlich nicht ausziehen. Usw. usw.

Ich erinnere mich an eine Szene, in welcher mir der Kragen platzte: Ein junges Mädchen hatte sich zur Schnupperstunde angemeldet. Die Anmeldung und Einverständniserklärung war von der Mutter des Mädchens im Vorfeld unterschrieben worden. Ich ging also davon aus, dass sich die Mutter ein wenig damit auseinandergesetzt hatte, was das Töchterlein da ausprobieren will. Das junge Mädchen kam, die Mutter begleitete es. Sichtbar despektierlich betrachtete die Mutter die Räumlichkeiten, nur um dann ohne weitere Begrüßung mit herablassendem Blick zu fragen: „Und Sie machen jetzt hier Sport oder was?“ – Meine Antwort: „Nein, ich bringe Ihrer Tochter jetzt das Strippen bei!“

Im zweiten Satz folgte das Angebot, dass die Mutter doch während der Schnupperstunde dabei bleiben könne, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, was diese ablehnte. Ob es die Vorurteile waren, die dazu geführt haben, dass die Tochter sich nicht zum Kurs anmelden durfte oder ob es doch meine (freche) Reaktion im Vorfeld war? Ich weiß es nicht.

Vorurteile sind etwas ganz Normales. Kein Mensch, weder der geschätzte Leser und die geschätzte Leserin noch ich selbst, kommt ohne Vorurteile aus. Semantisch bedeutet Vorurteil auch nichts anderes als „Zwischenergebnis“ auf dem Weg zur Entwicklung eines Urteils. Und damit kommen wir auch ganz gut zurecht. Wir wissen sehr wohl um die Ursprünge unseres Sports und genau dieser „Dirty Faktor“ ist es doch auch, was dem Ganzen einen gewissen Reiz verleiht.

Mal im Ernst: Welche Berechtigung hätten sonst die High Heels, die doch das ein oder andere Mal zum Einsatz kommen?

Was uns stört ist die persönliche Wertung die im Vorurteil mitschwingt, da diese meist endgültig ist. Die wenig reflektierte Meinung ohne eine verstandesgemäße Würdigung der relevanten Eigenschaften und Sachverhalte schmerzt! Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass eine Person gar nicht bereit ist, sich ein Poletraining einmal anzusehen, geschweige denn eine Schnupperstunde mitzumachen.

Psychologisch bezeichnet der Begriff des Vorurteils die Einstellung gegenüber einer Gruppe die mit negativen Affekten, Kognitionen und Verhaltenskomponenten verbunden ist. Und da kann man sich dann sprichwörtlich „auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln“ – was wir sogar tatsächlich tun können – und es wird nichts ändern.

Diese Vorurteile und der vehemente Kampf gegen deren Existenz führen teilweise sogar dazu, dass man „auf der anderen Seite vom Pferd herunterzufallen“ droht. Es existieren Bemühungen alles Sinnliche, jede Persönlichkeit und alles, was auch nur in irgendeiner Weise (auf)reizend wirken könnte mit aller Macht aus dem Polesport zu verdammen. Doch selbst dieses Vorgehen wird nicht dazu beitragen, die Vorurteile aufzuheben. Diese Reglementierungen führen nur dazu, dass die Persönlichkeit und der Stil eines jeden Poleindividuums zum Tode verurteilt wird.

Was also tun? Nichts!

Weitermachen wie bisher, den eigenen Stil finden, tanzen, sporteln, trainieren, sinnlich sein (das geht auch mit blauen Flecken!) und die offen zur Schau getragenen Vorurteile dazu nutzen, Personen die es nicht besser verstehen wollen, keinerlei Beachtung und Zeit mehr zu schenken. Nur so hat man Zeit für das eigene Training und die Personen, die wirklich interessiert sind und den sinnlichsten Tanzsport überhaupt auch erlernen möchten.

Nadine Rebel

Bitte gib die Zeichenfolge in das nachfolgende Textfeld ein.

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.